Kaum ein Nicht-Musiker hat die Musik so stark und nachhaltig beeinflusst wie der Reformator Martin Luther (1483 - 1546). Er liebte die Musik und das gesellige Singen und kannte die Komponisten seiner Zeit mitsamt ihren Werken. Sogar eine mehrstimmige Motette stammt aus seiner Feder. Um die biblische Botschaft "in Schwang zu bringen" verfasste er berühmte Kirchenlieder, die bis heute gesungen werden. Sein Grundsatz "Die Noten machen den Text lebendig" soll in diesem Concert Spirituel erlebbar werden.
Die weit über die Regio hinaus bekannten "Freiburger Spielleyt", eines der gefragtesten Ensembles für frühe Musik, interpretieren Werke von Luther und aus seiner Zeit mit Gesang und Blasinstrumenten, Drehleier, Orgel und Percussion. Der katholische Theologe und Musikwissenschaftler Meinrad Walter moderiert das Konzert in gewohnter Weise mit Originaltönen und Erläuterungen. Der Reformator Martin Luther im katholischen Geistlichen Zentrum St. Peter: Herzliche Einladung zu dieser ökumenisch-musikalischen Begegnung in dem von der evangelischen Kirche ausgerufenen Themenjahr "Reformation und Musik".
Am Sonntag den 1. Juli 2012 fand in den Räumen des vormaligen Benediktinerklosters, jetzt Geistliches Zentrum der Erzdiözese Freiburg, ein Wandelkonzert statt, welches das Ensemble der spektakulären Räume Bibliothek, Barockkirche und Fürstensaal erschloss.
Thematisch spannte sich ein Bogen von Zeit zu Ewigkeit, diese Pole bilden die spirituelle Spannweite eines Klosters. Dem Thema Zeit und der Sphäre der Ewigkeit zugeordnete musikalische Werke wurden jeweils durch einen zeitlosen Tango von Astor Piazolla gegliedert. Künstler und Publikum wandelten zu den unterschiedlichen Räumen, die mit Musik und Moderation geistreich erschlossen wurden.
Es erklangen Werke von J. S. Bach, O. Messiaen, J. Rheinberger, A. Piazolla und J. Haydn.
Die Ausführenden dieses besonderen Konzerts waren: Isabelle Forster (Horn), Myrta Bauer (Violine), Lusine Arakelyan (Violoncello), Johannes Götz (Orgel und Klavier). Meinrad Walter übernimmt die Moderation.
Wandelkonzert "Zeit und Ewigkeit" in Bibliothek, Barockkirche und Fürstensaal des Geistlichen Zentrums in St. Peter.
Bericht in der Badischen Zeitung vom 03.07.2012
Was ist Ewigkeit? Was ist Zeit? Ewige, zeitlose Fragen, denen die Zuhörer während der beiden Wandelkonzerte am Sonntag in den Räumen des Geistlichen Zentrums St. Peter im wahrsten Sinne des Wortes nach-gehen konnten.
Bezirkskantor Johannes Götz hatte die glänzende Idee, einmal ein Konzert zu veranstalten, das die Zuhörer durch die drei zentralen Räume des Klosters führte. Eröffnet wurde das Wandelkonzert in der wunderbaren Rokoko-Bibliothek des Klosters. Nicht nur räumlich, auch symbolisch steht die Bibliothek für das Geistige, das gesammelte Wissen des Menschen, für den Verstand. Zu den einführenden Worten des Musikwissenschaftlers Meinrad Walter konnten die Zuhörer drei zeitlos gültige musikalische Werke aus drei verschiedenen Epochen kennenlernen.
Die Neue Musik war mit "Appel interstellaire", einem Horn-Solo aus "De Canyons aus Étoiles" von Olivier Messiaen vertreten. Diesen "Ruf von Stern zu Stern" (Meinrad Walter) interpretierte die Hornistin Isabel Forster von hoch oben auf dem umlaufenden Wandelgang der Bibliothek. Die für Messiaen charakteristischen ungewohnten Intervallketten und die mathematisch-abstrakte Rhythmik vermitteln eine zwar musikalisch darstellbare, aber nicht durch Gefühle zu beschreibende Sehnsucht nach Unendlichkeit.
Absolut fassbar und überaus sinnlich dagegen wird die unendliche Sehnsucht, die sich in dem Tango "Milonga del àngel" von Astor Piazzolla Gehör verschafft. Die Violinistin Myrta Bauer und Lusine Arakelyan am Cello mit Johannes Götz am Harmonium interpretierten hingebungsvoll diesen wehmütigen "Tanz des Engels".
Wie harmonisch abstrakter Verstand und inniges Gefühl zusammengehen können, bewiesen die Musiker mit zwei Kanons aus der Kunst der Fuge von Johann Sebastian Bach. Mit warmer Stimme bereitete Lusine Arakelan auf dem Violoncello das Fundament, auf dem Myrta Bauer mit der Violine ihre kunstvollen Arabesken spann.
Der zweite Teil des Konzerts war dem Andachtsraum der Barockkirche vorbehalten. Auch hier machte Messiaen den Anfang mit der Orgelkomposition "Le Banquet Céleste", eine kontemplative Studie über die Zeit.
Die Vortragsbezeichnung zur zweiten Fassung dieses Frühwerks beschreibt das Stück eigentlich ganz gut: sehr langsam, ekstatisch, wie aus der Ferne, geheimnisvoller Ruf nach dem Unendlichen. Götz beginnt dieses Werk in einem gleichsam mattierten Register. Erst nach und nach gewinnen die langen Akkorde in aufsteigender Linie Glanz und Kontur und schließen mit tiefem, lang gehaltenem Bass.
Piazzollas "Oblivion", den das Ensemble dagegenhält, gewinnt in der für einen Tango völlig ungewohnten Akustik des sakralen Raumes ganz neue Qualitäten. Der weite hohe Hall unterstreicht einesteils "den Spiegel der Passionen, der Leidenschaften" (Meinrad Walter), auf der anderen Seite vermittelt er auch sehr authentisch ein Gefühl der Verlorenheit in der Welt.
Nach zwei ebenso innig wie machtvoll dargebotenen Sätzen aus dem Concerto für Violine, Violoncello und Orgel (op. 149) von Joseph Rheinberger wandelte die Gesellschaft zum "weltlichen Raum", dem Fürstensaal. Hier ist Raum für Tanz und Gesellschaft, Schönheit und Lustbarkeiten und Joseph Haydn komponierte mit dem Trio in G (Hoboken XV:25) die adäquate Musik dazu. Die ersten beiden Sätze könnten noch unter dem Motto "gepflegte Abendunterhaltung" stehen, man bespricht bei einem Glas Champagner die Ereignisse des Tages. Dieses Geplänkel steigert sich im Finale zu geradezu ekstatischer Ausgelassenheit. Piazzollas bekannter kraftvoller Libertango, pulsierend und energetisch aufgeladen, stand dem in nichts nach und sogar das "Louange à Éternité de Jesus" aus dem "Quartett für das Ende der Zeit" versprühte da eine für Messiaens Verhältnisse geradezu sinnliche Ausstrahlung.
Den begeisterten Zuhörern wurde als Zugabe ein weiterer melancholischer Tango geboten, bei dem Myrta Bauer den Bogen noch ganz nah am Steg "zwitschern" ließ – eine dezente Anspielung auf Messiaen?
Autor: Hans Jürgen Kugler