Pfingstsonntag, 19. Mai 2024, 17 Uhr
Barockkirche St. Peter
Johannes Mössinger, Piano
Bastian Jütte, Schlagzeug
Johannes Götz, Orgel
BACH & JAZZ
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Fantasie und Fuge g-moll BWV 542
J.S. Bach / Johannes Mössinger (*1964)
Andantino in g-moll
J.S. Bach
Fuge e-moll BWV 879,2
J.S. Bach
aus dem Orgelbüchlein: Christ ist erstanden BWV 627
J.S. Bach
aus der Orchestersuite in D-Dur 1068:
Air
Gregorianischer Choral, Melodie aus Kempten (um 1000)
Veni, creator spiritus
Bastian Jütte (*1973)
Solo für Schlagzeug
J.S. Bach
Toccata, Adagio und Fuge
Andreas Willscher (*1955)
My Bach
Wenn man sich die Popularität der Verbindung von Bach und Jazz vor Augen führt, kann man sich nicht vorstellen, dass diese im Falle des berühmten Pianisten Jacques Loussier (1934-2018) aus einem Missgeschick entstanden ist. Als Student am Pariser Konservatorium nahm er an einem Wettbewerb teil, bei dem er ein Präludium von Bach spielte, den Faden verlor und kurzerhand improvisierte. Ende der 1950er Jahre eroberte er die Jazz-Welt mit seinen legendären wie zahlreichen „Play Bach“-Einspielungen. In seiner Jugend war auch Johannes Mössinger einer seiner großen Fans, „weil Bach so richtig präsent war mit all seinem Anspruch und er improvisatorisch toll da drin war.“
Mössinger verrät im Gespräch allerdings auch, dass es ihm heute nicht genügt, ein Stück von Bach mit einem Swing-Rhythmus zu unterlegen und als „spielerischen Bach à la Jazz“ zu deklarieren. „Ich spiele dermaßen gerne Bach’sche Originale und dann interessiert mich, ausgehend von so einer Vorlage, was würde ich weiter komponieren oder auf was für Ideen komme ich dann.“ Es geht vielmehr darum, auch der eigenen Stilistik Raum zu geben. Doch die Frage bleibt, „wie stark bleibe ich am Original, wo gehe ich weg, was für eine Form gebe ich mir da. Das ist natürlich immer auch ein Wagnis, eine spannende Auseinandersetzung.“ Die große Chance dieser immerwährenden Auseinandersetzung ist eine enorme Vielfalt. Aus jeder Bach’schen Idee entsteht ein Stück mit einem neuen, ganz anderen Charakter, „und das reflektiert dann schon wieder mehr das eigene Schaffen, sodass man da in einem Spannungsverhältnis steht.“ Den Respekt für die Bach’sche Musik braucht es in jedem Fall, „aber man darf sich nicht hintenanstellen, sonst wäre es ja später nicht der eigene Jazz.“
Warum gerade Bach so beliebt ist im Jazz? Bach ist auf der Schnittstelle zwischen Form und Improvisation, kompositorisch rückwärtsgewandt und gleichzeitig der Musikgeschichte um Jahrhunderte voraus. „Es ist das Magische an ihm, dass man an so vielen Punkten andocken kann.“ Nicht nur Mössinger selbst, auch viele andere berühmte Musiker nehmen sich gerne ein Stück von Bach zum Studium vor, um sich vom alten Meister inspirieren zu lassen, „weil man da einfach so viel mitnehmen kann in die aktuelle Musik.“ Choräle wie Christ ist erstanden und Veni, creator spiritus bieten mit ihren einfachen Melodien inspirierende Ausgangspunkte. Genau wie die klar strukturierten Themen der Fugen eröffnen sie geradezu ein Spielfeld für Improvisation. So werden die Verse des Christ ist erstanden im Original zu hören sein, im Wechsel mit Improvisationen des Trios – in einer Art Ruf-Antwort-Prinzip. „Das sind natürlich Gelegenheiten, bei denen man erleben kann, wie vielfältig Improvisation aus dem Moment heraus sein kann.“
Weniger aus dem Moment heraus, sondern von Mössinger arrangiert wie man es klassischerweise für Jazz machen würde, ist die Sinfonia g-Moll. „Man übernimmt die Melodie, den Hauptgedanken von dem Werk, und setzt das in ein sogenanntes Leadsheet, sprich eine Melodie mit Akkorden, über die man dann gemeinsam improvisieren kann. Man hat das als feststehende Stück quasi in eine Jazzwelt übernommen.“ Ein ganz anderes Vorgehen wie bei der Fuge e-Moll, bei der Mössinger zunächst die Fuge spielt, auf die ein Stück folgt, „das die Motive aufgreift, aber ganz anders gestaltet ist“. So gibt es unterschiedliche Ansätze mit dem Ausgangsmaterial Bach umzugehen. An verschiedenen Stationen im Konzert wird die Musik „auch noch in freiere Welten überführt.“
Dabei spielt nicht nur die ungewöhnliche Besetzung mit Orgel, Klavier und Schlagzeug, sondern auch der Raum eine große Rolle. Mit Bastian Jütte am Schlagzeug erhält die Musik ein ganz wichtiges rituelles Element, um die Musik nochmal zu verändern. Mit seiner Fundierung im Sound kann hier die oftmals sehr rhythmische Musik Bachs in der Zeit viel freier dargestellt werden. Für das intime Zusammenspiel bietet St. Peter die optimalen Voraussetzungen. „Das ist ja im kirchlichen Raum selten so möglich. Es ist wichtig für die Improvisation, dass man sowohl klanglich als auch räumlich eng miteinander kommunizieren kann.“ Im Ensemble zu improvisieren heißt immer, sich auf die anderen einzulassen und aufmerksam zu sein; gerade, weil „Improvisation in erster Linie passiert.“ Es ist die Frage, wer gerade mehr Führung übernimmt und zu entscheiden, ob man mitgeht oder einen Kontrapunkt dazu setzt. „Wie agiere ich, um die Musik, die gerade ist, vorwärts zu bringen.“ Manchmal hat man schon von Vornherein eine Idee, „aber manchmal ist auch spontan eine Dynamik da, auf die alle einsteigen.“ Gerade diese Dynamik ist einzigartig im Konzert, wobei auch das Publikum eine große Rolle spielt. In der Konzertsituation kann man als Musiker auf Stimmungen eingehen, sodass jeder Auftritt einzigartig bleibt. „Das Schöne in der Welt der Improvisation ist ja, dass man auch als Zuhörer immer wieder überrascht wird und teilnimmt an einer Art Hörabenteuer.“
Johannes Mössinger
zählt zu den kreativsten Jazzmusikern in Deutschland. Zu allererst improvisierender Künstler, ist er gleichzeitig fasziniert von formaler Architektur und kompositorischer Strenge in der Musik.
In diesem Spannungsfeld hat er sich einen eigenen, faszinierenden Jazz-Stil angeeignet, der zum Markenzeichen seines Klavierspiels und seiner Musik wurde. Man erlebt den Pianisten in Zusammenarbeit mit unzähligen europäischen und US-amerikanischen Jazz-Größen auf Tourneen in der ganzen Welt.
Als Leader veröffentlichte er 29 CD-Produktionen unter eigenem Namen, darunter die Inventionen (2018) und Das Wohltemperierte Klavier I (2024) von J. S. Bach. Im April 2024 erschien die LP/CD About Bach – ein Projekt, bei dem sich Bachs Originalwerke und Werke Mössingers wie entrückte Dialoge im Wechsel aneinanderreihen. So wird Bach kunstvoll in die Gegenwart gebracht.
Bastian Jütte
Neben seiner Tätigkeit als Professor an der Musikhochschule Würzburg spielte ECHO Jazz-Preisträger Bastian Jütte in den letzten Jahren auf unzähligen internationalen Festivals. Tourneen führten ihn durch Europa, Nordafrika, den Nahen Osten bis nach Asien.
Als Mitglied in zahlreichen Formationen ist der Schlagzeuger mittlerweile auf über 90 CDs zu hören und hat als Bandleader fünf eigene Alben veröffentlicht.
Seit 2015 leitet er das „Bastian Jütte Quartett“, mit dem er 2016 den Neuen Deutschen Jazzpreis gewann. Bereits 2010 konnte er diesen Preis mit dem Tim Allhoff Trio in Empfang nehmen. 2013 wurde er mit dem ECHO-Jazz in der Kategorie „Schlagzeuger des Jahres national“ ausgezeichnet.
Johannes Götz
ist seit 1992 Bezirkskantor für die Dekanate Neustadt und Wutachtal, jetzt Dekanat Waldshut. Er studierte an der Musikhochschule Freiburg und am Königlichen Konservatorium Brüssel. Als Organist, Kammermusiker und Ensembleleiter übt er eine weit gespannte Konzerttätigkeit in vielen europäischen Ländern aus.
Neben seinem Organistenamt in der Pfarrgemeinde St. Peter / St. Märgen leitet er die dortige Konzertreihe: www.Barockkirche-St-Peter.de. Zuständig für die kirchenmusikalische Ausbildung in der Region prägt er das kirchenmusikalische Leben auf dem Schwarzwald.
Als erzbischöflicher Orgelinspektor berät er die Kirchengemeinden in den Dekanaten Endingen-Waldkirch und Neustadt. Die Herausforderung, den Orgelklang mit neuen Technologien zu steuern, um die
Tools des Organisten zu bereichern, nimmt Johannes Götz an. Das Metanoia- Projekt im Jahr 2021 nutzte Elektronik als erweiterndes „Spiel der Möglichkeiten“.