Die Orgelanlage der Barockkirche St. Peter
Badische Zeitung 28.07.2015:
Zum Eröffnungskonzert der Internationalen Orgelkonzerte St. Peter 2015 auf der neuen Chororgel
Badische Zeitung 24.07.2015:
"St. Peter kriegt neue Chororgel"
Badische Zeitung 23.07.2015:
"Jetzt auch romantische Klangfarben"
BZ-Ticket 26.01.2015:
"Klang und Gloria – Orgeln in der Region"
Diese großartige Barockkirche verlangt geradezu nach Musik des 18. Jahrhunderts. Zur Originalausstattung zählt das vorzügliche Gehäuse der Hauptorgel, das elegant die Fenster der Westwand umspielt. Johann Georg Fischers Werk von 1731 dagegen bezeichnete Johann Andreas Silbermann 1753 als „erbärmliches Geschirr.“ Nach mehreren und erfolglosen Reparaturen zwängte 1880 die damals weltweit aktive Firma Walcker aus Ludwigsburg ein Instrument in das grazile Gehäuse, das mit seinen vielen tiefen Registern und großen Pfeifen den orchestralen Stil der Hochromantik repräsentierte. 1967 schließlich baute die bekannte Bonner Werkstätte Klais abermals ein neues Orgelwerk ein. Klanglich wie technisch greift es die Tradition des Barock mit hellen Stimmen wieder auf und passt somit musikalisch wunderbar in das Gesamtensemble. Darüber hinaus hat Hans Gerd Klais sehr weitsichtig einige delikate Register der Walcker-Orgel übernommen, was damals nicht selbstverständlich war. Nach fast einem halben Jahrhundert intensivsten Gebrauchs in festlichen Gottesdiensten und denkwürdigen Konzerten lohnte es sich, diese gelungene und geschätzte Orgel 2014 durch die ebenfalls global agierende Firma Rieger aus Schwarzach (Vorarlberg) technisch zu überholen und durch behutsame Nacharbeit im Klang zu erhalten. Damit schließt sich auch der Kreis nach Vorarlberg – zur Heimat von Baumeister Peter Thumb.
St. Peter war und ist stets ein Ort reger Musikpflege, an dem man sich auch gerne neueren Strömungen öffnet. Woher nimmt man aber in einer Barockkirche die Romantik und wo stellt man den hierzu nötigen Klangkörper auf? Die Hauptorgel demgemäß zu verändern kam ebenso wenig in Frage wie ein womöglich unmotivierter Zubau.
Zum prächtigen Chorgestühl des Benediktinerklosters gehörte stets auch die Chororgel, die bislang im nördlichen Barockgehäuse untergebracht war. Das zuletzt eingebaute Werk von 1964 war klanglich inhomogen sowie durch Kälteeinwirkung und Schimmelbefall so stark beschädigt, dass es unwirtschaftlich gewesen wäre, es zu sanieren. Der Neubau wurde ebenfalls der Firma Rieger anvertraut; Ekkehard Fehl wurde als Intonateur engagiert. Aus klimatischen Gründen steht das Instrument nun im südlichen Gehäuse, das bisher nur mit einem Blendprospekt versehen war.
Um gedanklich an die Walckers-Hauptorgel von 1880 anzuknüpfen und Literatur der Romantik besser darstellen zu können, entwickelte Bezirkskantor Johannes Götz zusammen mit dem Chef von Rieger, Wendelin Eberle, ein ungewöhnliches Klangkonzept: Es basiert auf Adaptionen aus Orgeln Eberhard Friedrich Walckers in Schramberg (1844) und Hoffenheim (1846). Dr. Stefan Meisert, ehemaliger Pfarrer von St. Peter nahm sich des Projektes an und entwickelte einen klugen Finanzierungsplan.
Walcker kannte und schätzte den klassischen Orgelbau einerseits, suchte jedoch musikalisch wie technisch nach neuen Wegen und setzte in seiner Zeit und in seiner Zunft Maßstäbe. Das neue Werk in St. Peter enthält zudem Reminiszenzen an jene Instrumente, die Aristide Cavaillé-Coll als Chororgeln für große französische Kathedralen disponierte (strahlende Trompeten und in Schwebung gestimmte Register). Dabei wurde nicht etwa eine Orgel oder ein Typus kopiert. Vielmehr wurden die klanglichen Charakteristika so arrangiert, dass ein bislang einzigartiges Instrument entstand. Besonderheiten sind unter anderem die Betonung der Basslage im Schwellwerk, wo auch die beiden Zungenregister stehen und die breite, sehr farbig angelegte Grundtonpalette. Auf die bei Walcker typischen extrem leisen Stimmen konnte verzichtet werden, weil – anders als dort – hier die Lautstärke mittels Schwellkasten regelbar ist. Mit genau derselben Stimmenzahl wie ihre Vorgängerin bietet die neue Rieger-Chororgel nun jenes Klangspektrum, das die Hauptorgel optimal ergänzt.
Beide Orgeln sind – wie bereits zwischen 1967 und 2014 – in allen Funktionen sowohl von der Empore als auch vom Chorraum aus steuerbar. Dieses bewährte Konzept samt der beiden identischen Klais-Spieltische wurde von der Vorgänger-Anlage übernommen, jedoch nun mit neuen technischen Möglichkeiten wie einer umfangreichen Setzer-Anlage für die Vorbereitung vieler Registerkombinationen, einem Abspielsystem (zur Kontrolle der Klangbalance) oder Einrichtungen für die Fernwartung verbessert. Zudem ist der untere Spieltisch beweglich und kann bis zur Altarinsel in der Vierung eingesetzt werden. Interpreten sind somit für das Publikum sichtbar und haben selbst eine bessere Abhörkontrolle der beiden Orgeln.
Ein kleiner, aber äußerst wirkungsvoller Kniff ist auch, dass das Schwellwerk der Chororgel sowohl auf dem I. als auch auf dem III. Manual spielbar ist. Seine Klangfarben lassen sich so mit denen des Rückpositivs und des Kronwerks an der Hauptorgel mischen, ohne dass durch umständliches Koppeln andere Klaviaturen blockiert sind.
Überwältigend ist der klangliche Gesamteindruck – und dies weniger wegen seiner Lautstärke als vor allem wegen seiner Qualität. So ist die zuvor im Hauptschiff nur indirekt hörbare Chororgel zu einer der Hauptorgel ebenbürtigen Partnerin avanciert. Darüber hinaus bietet sie alle Möglichkeiten, die für liturgische Aufgaben im Chor (Begleitung von Vorsängern, Schola, kleinen Ensembles) und für konzertante Aufgaben (Aufführungen symphonischer Werke) gewünscht werden. Verblüffend ist, wie vorteilhaft die beiden stilistisch so unterschiedlichen Instrumente in dem weitläufigen Raum korrespondieren: Sie scheinen akustisch nicht nur näher zusammen zu rücken, sondern sich jeweils auf die Klangsprache ihres Gegenübers einzustellen. So wirken die Stimmen der 1967 im Geist des Neobarock geschaffenen Hauptorgel als würden sie sich auf das Timbre ihrer Kollegen einstellen, die ihre musikalischen Wurzeln im 19. Jahrhundert haben. Kreative Interpreten werden die mannigfachen Stereo- und Echo-Effekte ebenso einzusetzen wissen wie die Kontraste oder die Synergien beider Instrumente.
Mit dieser Orgelanlage wurde in St. Peter ein geniales Ensemble gestaltet, das in Gottesdiensten und Konzerten eine hier bislang nicht vorstellbare Klangvielfalt bietet. Zudem ist es gelungen, musikalische mehrere Epochen und viele musikalische Wünsche im gegebenen barocken Kontext in wohltuende Balance zu bringen, ohne baulich, technisch oder klanglich wertvolle Substanz anzutasten – ein phantasievolles Spiel mit der Zeit. Vielleicht hatte Peter Thumb als er diese Kirche plante ja ein inneres Ohr und die Vision, gleichsam über seine Zeit hinaus zu hören.
Markus Zimmermann
Foto: Leopold Rombach
GROSSE ORGEL AUF DER WESTEMPORE
Erbauer der Orgel: Johannes Klais Orgelbau, Bonn 1967,
im historischen Gehäuse Überholung 2014 durch Rieger Orgelbau GmbH.
Foto: Leopold Rombach
Hauptwerk
II. Manual, C–g3
Winddruck: 65 mm Ws
Pommer 16’
Principal 8’
Hohlpfeife 8’
Gamba 8’
Octav 4’
Salicional 4’
Quint 2 2/3’
Superoctav 2’
Cornett 5f. ab fis° 8’
Mixtur 1 1/3’
Cymbel 1⁄2’
Trompete 8’
Regal 8‘
Rückpositiv
I. Manual, C–g3
Winddruck: 60 mm WS
Holzgedackt 8’
Fernflöte 8’
Praestant 4’
Holztraverse 4’
Principal 2’
Spillflöte 2’
Larigot 1 1/3’
Scharf 1’
Cromorne 8’
Tremulant
Kronwerk
III. Manual, C–g3
Winddruck: 55 mm Ws
Rohrflöte 8’
Quintade 8’
Principal 4’
Blockflöte 4’
Nazard 2 2/3’
Octav 2’
Terz 1 3/5’
Superoctav 1’
Acuta 1’
Dulcian 16’
Oboe 8’
Clairon 4’
Tremulant
Pedal
C–f’
Principal 16’
Subbaß 16’
Octav 8’
Rohrpommer 8’
Superoctav 4’
Koppelflöte 4’
Blockflöte 2’
Rauschpfeife 5f. 2 2/3’
Posaune 16’
Zink 8’
Clairon 4’’
Koppeln: III/II, I/II, III/I, I/P, II/P, III/P
CHORORGEL IM ALTARRAUM
Erbauer der Orgel: Rieger Orgelbau GmbH, Schwarzach (Vorarlberg)
An der Chororgel für St. Peter haben mitgearbeitet: Jürgen Handstanger (Montageleitung), Johanna Gstrein, Anton Berchtold, Manuel Egle, Tobias Falk, Markus Nußbaumer
Intonation: Ekkehard Fehl, Teltow, Hanna Staszewska, Assistenz
Disposition: Johannes Götz und Wendelin Eberle
Sachberatung: Erzb. Orgel- inspektor Georg Koch
Einweihung: 26. Juli 2015 Prälat Domkapitular em. Dr. Klaus Stadel, Orgel: Johannes Götz
Foto: Leopold Rombach
Choralwerk
II. Manual, C–g3
Winddruck: 74 mm WS
Principal 8’
Viola da Gamba 8’
Bourdon 8’
Octav 4’
Flûte d’amour 4’
Quint 2 2/3’
Octav 2’
Mixtur 3f. 2’
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Koppeln: II/I, II/I 16’, I/P, II/P
Johannes Rohlf, Opus 189 / 2013
Foto: Leopold Rombach
Truhenorgel nach Gottlieb Näser (1734)
Fichte
Gedeckt 8'
Rohrflöte 4'
Fichte, C-H gedeckt, ab c° Rohrflöte
Octave 2'
C-Gs Fichte, ab A 52% Zinn
Tonumfang H1 bis f ''',
Klaviaturumfang C bis f ''', bei Spiel in hoher Lage C bis e''',
Transponiereinrichtung: a' = 415 - 440 - 465 Hz
Gehäuse geräuchert und gewachst aus massiver Eiche, Füllungen mit karolingischem Gittermotiv.
Registermechanik aus eichenen Schwertern auf der Baßseite. Klaviatur aus Zwetschge und Ebenholz.
Schmiedeeiserne Tragegriffe am Oberteil.
Die Orgel ist in zwei Teilen zu transportieren:
Maße Oberteil (Windlade mit Pfeifenwerk):
BxHxT 100 x 70 x 50 cm, Gewicht 62 kg
Maße Unterteil (Gebläse und Keilbalg):
BxHxT 100 x 25 x 50 cm, Gewicht 28 kg